Helmut KentlerDie Rolle des Sexualwissenschaftlers im Pädosexualitätsdiskurs – Zum Beispiel: Helmut Kentler

Helmut Kentler (1928–2008) war lange Zeit ein viel gefragter Mann. Berichtete etwa der „Spiegel“ in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren über Themen wie Urlaub, Erziehung und Sexualität, wurde gern der Psychologe, Pädagoge und Sexualwissenschaftler Kentler zitiert. Auch im Radio und im Fernsehen war er präsent: Beispielsweise hatte Kentler mehrfach Auftritte in der WDR-Radiosendung „Hallo Ü-Wagen“, stellte sich für die ARD-Ratgebersendung „Kinder und ihre Sexualität“ zur Verfügung und diskutierte mit dem Reformpädagogen Hartmut von Hentig live im ZDF über Schulverweigerer.

Doch inzwischen liegt ein Schatten auf dem Wirken Kentlers, der seit April 1976 ordentlicher Professor für Sozialpädagogik an der Technischen Universität Hannover war. Umstritten ist der gebürtige Kölner vor allem dadurch, dass er sich für eine Legalisierung von Sexualkontakten zwischen Kindern bzw. Jugendlichen und Erwachsenen einsetzte. Im Rahmen des Forschungsprojektes zum Einfluss pädophiler Forderungen auf die Programmatik der Grünen Anfang der 1980er Jahre konnte Kentler sogar als eine Schlüsselfigur in den Diskursen um den sozialen und rechtlichen Umgang mit Pädosexualität identifiziert werden.

Ausgehend von Kentlers Biografie soll seine Rolle in diesen Diskursen näher untersucht werden. Welche Kontakte bestanden in die Politik, zur Verwaltung, zur Justiz, zu Wissenschaftsverbänden und zu Pädophilienverbänden mit dem Ziel, eine radikale Liberalisierung des Sexualstrafrechts und der darin enthaltenen Kinderschutzbestimmungen zu erreichen? Gab es bestimmte Netzwerkstrukturen, in denen sich Forscher – insbesondere Vertreter der sozialwissenschaftlich ausgerichteten Sexualforschung – zu diesem Zweck organisierten? Und schließlich: Mit welchem Erfolg hat Kentler mit seinen Stellungnahmen die gesellschaftlichen und rechtspolitischen Debatten um eine Legalisierung sexueller Kontakte zwischen Kindern bzw. Jugendlichen und Erwachsenen konkret beeinflusst?

Das Ziel des Projektes ist es, über Verbindungen zu Fachkollegen und öffentlichen Einrichtungen weitere, generalisierbare Erkenntnisse über die Rolle der Wissenschaft, insbesondere der sexualwissenschaftlich ausgerichteten Medizin, der Psychologie und der Sozialwissenschaften, im Pädosexualitätsdiskurs der 1960er, 1970er und 1980er Jahre zu gewinnen.

Mitarbeiter*innen:

  • Dr. Teresa Nentwig
  • Marius Becker (ab 01.02.2016)
  • Malte Lübke (vom 01.03.2016 bis 28.02.2017)
  • Philipp Scharf (ab 01.03.2017)