Zwischen Kontinuität und Wandel

[präsentiert]: Benjamin Mayer hat „Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis heute“ von Gideon Botsch gelesen.

In der Reihe „Geschichte kompakt“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft legt der Politikwissenschaftler Gideon Botsch eine komprimierte Gesamtdarstellung der extremen Rechten in Deutschland von 1949 bis heute vor. Die Reihe richtet sich an „Interessierte, Lehrende und Lernende“ und zielt darauf ab, „komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar“ darzustellen. Die von Botsch vorgelegte Gesamtdarstellung versucht damit eine Lücke zu schließen, die der Autor selbst in einer neuen „Bewertung und Interpretation“ der Entwicklungen der extremen Rechten sieht, um damit den Forschungsstand der ausgehenden 1980er Jahre zu aktualisieren.

In seiner Darstellung trägt Botsch den aktuellen politikwissenschaftlichen Forschungsdebatten Rechnung und versteht die extreme Rechte als „kollektiven Akteur“. Hierbei wird die „nationale Opposition“ als politische Bewegung beschrieben, welche Parteien, Jugendverbände, Aktionsgruppen usw. umfasst und von einem lebensweltlichen Milieu gerahmt wird, in dem sich Traditionszirkel, Kulturgemeinschaften und eine Erlebniswelt  sammeln. Diese Darstellung unterteilt der Autor in drei Schwerpunktbereiche: die Parteien und politischen Organisationen, die Entwicklung von extrem rechten Jugendorganisationen sowie die Entwicklung von Bildungswerken, Diskutierzirkeln und Medienunternehmen.

Unterteilt ist die chronologische Entwicklung der extremen Rechten in vier Blöcke. Neben den Wurzeln der extremen Rechten Ende des 19. Jahrhunderts finden sich drei weitere Abschnitte (1949-69, 1970-89 und 1990-2009), die sich entlang der bundesrepublikanischen Entwicklung ausrichten. Auch die aktuellen Entwicklungen der NPD und ein kurzer Abschnitt zur „Zwickauer Terrorzelle“ finden am Ende noch Platz. Entlang der chronologischen Beschreibungen weist Gideon Botsch immer wieder auf die Kontinuitäten der Entwicklung und die – vor allem personelle – Vernetzung der extremen Rechten hin. Sehr hilfreich sind bei der Darstellung die ergänzenden Definitionen, Quellen und Biografien, welche vor allem für eine tiefergehende Beschäftigung Anschluss bieten und in anderen zusammenfassenden Gesamtdarstellungen häufig fehlen. An Übersichtlichkeit gewinnt das Format überdies durch die am Textrand thematisch hervorgehobenen Abschnitte, die ein schnelles Nachschlagen ermöglichen.

Erschwert wird die Lektüre lediglich durch zwei Umstände, die wohl den Verlagsvorgaben geschuldet sind: Zum einen musste der Autor auf sämtliche Fußnoten verzichten, was teils die Vertiefung erschwert. Zum anderen hat man das Gefühl, der Darstellung hätten an der einen oder anderen Stelle noch einige zusätzliche Seiten gut getan.

Insgesamt legt Gideon Botsch eine wirklich gut lesbare Gesamtdarstellung vor, welche die extreme Rechte als „Teil der Geschichte der Demokratie in Deutschland“ begreift, sie aber unaufgeregt dennoch als „randständige, einflusslose politische Subkultur“ versteht, ohne diese kleinzureden. Über den universitären Betrieb hinaus bietet die Publikation ein komprimiertes Nachschlagewerk, das auch für interessierte Laien eine lohnenswerte Anschaffung ist.

Benjamin Mayer ist Politikwissenschaftler.

Rezension zu:

Gideon Botsch: Die extreme Rechte in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis heute, Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 2012, 158 S., 14,90 EUR.