Politik und Symbolik

[analysiert]: Philipp Mosmann über die Rolle der Wahlplakate bei der NRW-Landtagswahl am Beispiel der CDU.

Norbert Röttgen ging mit gerade einmal 26,3 Prozent als Verlierer aus der NRW-Landtagswahl hervor und musste sich herber Kritik ob seiner Person und besonders bezüglich seiner Wahlkampfstrategie stellen. Für das Verständnis der Wahlniederlage besonders erkenntnisreich erweist sich ein genauer Blick auf die Strategie bezüglich der Wahlplakate der nordrhein-westfälischen CDU, da diese als Sinnbild Röttgens Wahlkampfes und auch seiner Person als Spitzenpolitiker verstanden werden können.

Das Plakat als Medium, das die jeweilige politische Kultur auf symbolischem Weg zu vermitteln versucht, besticht dabei durch eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten. Möglichkeiten, die anhand von Sprache, Kunst oder Mythos ein ganzes Arsenal an Deutungsmustern implizieren und auf Erfahrungen, Werte und Wissen bei den Betrachtern verweisen. Jedes Symbol – es kann sich um Zeichen, Embleme oder rhetorische Mittel handeln – wird automatisch, je nach Betrachter und Wahrnehmung, mit einer individuellen Begrifflichkeit versehen, wodurch es den Interpreten aktiv in eine Richtung dirigieren kann. Daher müssen die Plakate an den spezifischen Belangen der Bevölkerung ausgerichtet werden, sich mit den Sorgen, Anliegen und Nöten auseinandersetzen und diese in die Darstellung aufnehmen. Es ergeben sich somit drei wesentliche Funktionen von symbolischer Politik bzw. Wahlplakaten: Erstens die regressive Funktion, die komplexe Zusammenhänge vereinfacht vermittelt. Zweitens die nomische Funktion, die den Inhalt und die Aussage der Parteien schematisch ordnet, und drittens die affektive Funktion, die emotionale Reaktionen hervorruft.

Wahlplakate inszenieren das Politische und transferieren Inhalte und Absichten der Parteien und deren Politik, wobei die Parteien und jeweiligen Spitzenpolitiker dabei selbst als visuelles Medium auftreten. Die symbolpolitischen Mittel helfen, die Identifikation und Interaktion der Betrachter mit der jeweiligen Partei, ihren Programmen, Inhalten oder Personen herzustellen. Es gilt, Empathie und eine gewisse Rollenübernahme zu erzeugen, so dass, je nach parteipolitischer Ausrichtung, die maximale Wirkung und visuelle Repräsentation gewährleistet werden können. Die Formulierung der Ziele, die einen repräsentativen Charakter haben müssen, stellt jedoch eine schwierige Aufgabe dar. Der Betrachter muss in einem einzigen, kurzen Moment alle wesentlichen Details und Aussagen eines Plakats aufnehmen und auch rezipieren können, so dass es die eigentlich intendierte Wirkung, das Anwerben von Wählern, erfüllt.

Mit drei Hauptsymboliken (Personalisierung, Klientelansprache und Feindbildkonstruktion) muss sich eine Partei abgrenzen, dabei eine größtmögliche Wählerschaft mobilisieren und den eigenen Politikstil möglichst geschickt inszenieren. Norbert Röttgen und die CDU kamen diesen Funktionen nicht konsequent genug nach. Vielmehr wurde bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen eine unübersichtliche Zahl und Kombination von Symboliken in den Wahlplakaten angewandt. Röttgen setzte dabei, ebenso wie Hannelore Kraft, hauptsächlich auf die Personalisierung des Wahlkampfes.  „Politik aus den Augen unserer Kinder“ lautet der Slogan, der auf Röttgens Plakat dargestellt wird. Diese Devise wirft nun die Fragen auf: Was beinhaltet „Politik aus den Augen unserer Kinder“ für einen Stil und was für Ziele verfolgt eine derartige Politik? Es ist nicht eindeutig zu klären, was die Losung ausdrücken will – ein fatales Manko. In Kombination mit der auch farblich kontrastreichen Untermalung „Unser Land kann mehr“ distanziert Röttgen sich zudem eindeutig von der bisherigen Minderheitsregierung. Der Betrachter wird irritiert, mit zu vielen Eindrücken überflutet und kann sich nicht auf eine wesentliche Aussage fokussieren, zumal sich die Frage stellt: Wer steht denn auf diesem Plakat überhaupt im Fokus? Die Person und Rolle Röttgens als Spitzenpolitiker oder die Distanzierung der CDU zu anderen Parteien? Röttgen fällt bei allen Plakaten durch den stets identischen Gesichtsausdruck auf. Die Personalisierung Röttgens in Kombination mit der Klientelansprache („Aus den Augen unserer Kinder“) und die Gestaltung der Plakate wirken schlichtweg „zu gewollt“ und völlig austauschbar. Die Authentizität Röttgens lässt sich stark anzweifeln und sein Image als kompetenter Theoretiker – unfähig, mit dem Bürger in Kontakt zu treten – verhärtet sich. Ihm ist daher vorzuwerfen, dass er sich weder mit NRW noch mit den Plakaten genügend identifiziert hat.

Auch im dritten Symboliktypus, der Feindbildkonstruktion, können Röttgen und die CDU wenig überzeugen. Diese Symbolik tritt im Falle der vergangenen Landtagswahl hauptsächlich in Kombination mit Personalisierung auf und postuliert in einem prägnanten Slogan „Verantwortung statt Verschuldung“, was erneut als Seitenhieb gegen SPD und Grüne zu verstehen ist. Der Minderheitsregierung wird ein verantwortungsloser Politikstil unterstellt, wohingegen die CDU eine nachhaltige und verantwortungsvolle Politik für sich beansprucht. Die Feindbildkonstruktion geschieht auf Basis der sprichwörtlichen Wahl zwischen einem „Schuldenstaat“ oder einer „Zukunft für unsere Kinder“.

Die einzelnen Hauptsymboliken, also Personalisierung, Klientelansprache und Feindbildkonstruktion, treten hauptsächlich in Kombination miteinander auf. Die eigentliche Funktion dieser kombinierten Darstellung besteht in der Betonung von Wirkung und Aussagekraft der politischen Inhalte. Bei den Plakaten um Röttgen gewinnt man jedoch den Eindruck, als ob das Gegenteil der Fall sei: Wirkung und Aussagekraft werden durch den undurchsichtigen Charakter der Plakate minimiert. Insofern wird zwar durchaus die richtige Methode angewandt, an ihrer Umsetzung scheitert es aber letztlich. Des Weiteren vernachlässigen die Plakate ihre Funktion der Komplexitätsreduzierung und ihren ordnenden Charakter.

Die Wahlplakate können, wie zu Beginn beschrieben, als Sinnbild des christdemokratischen Wahlkampfes in NRW beschrieben werden. Aus dieser Perspektive hat die CDU unter Norbert Röttgen einige strategische Fehler begangen, die den Ausgang der Wahl mit beeinflusst haben können. Gerade am Gegenbeispiel, den Wahlplakaten der SPD unter Hannelore Kraft, wird dies deutlich, da besonders die Personalisierung der SPD-Spitzenkandidatin mit ihren weichen Faktoren eine große emotionale Ansprache und Identifikation ihrer Wählerschaft bewirkt hat. Der CDU gelang es hingegen nicht, mittels Plakatgestaltung eine positive Identifikation mit der Partei und ihrem Spitzenpolitiker zu erzielen. Eine Erkenntnis, die es vielleicht sogar trotz der Vielzahl an neuen Medien noch immer bewusst zu reflektieren gilt.

Philipp Carl Mosmann, Student der Politikwissenschaft und Geschichte, verfasste diesen Text  im Rahmen des Seminars: „Visuelle Politik. Politische Kommunikation und die Repräsentation von Politik am Beispiel von Medienbildern“.

 

Bildnachweise:

  • Adenauer: Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung
  • Röttgen: www.wahl-2012.cdu-nrw.de