[analysiert]: Yvonne Wypchol über den politischen Werdegang der Bundesfamilienministerin.
Als Kristina Schröder im Januar 2010 das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übernahm, war Angela Merkels junge Ministergarde komplett. Dabei übernahm Schröder keine leichte Aufgabe. Denn ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen hatte es nicht nur geschafft, das Familienministerium ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, sondern galt für dieses Amt geradezu als prädestiniert: Die siebenfache Mutter schien Familie und Beruf ideal vereinen zu können. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie von den Medien immer wieder als „Mutter der Nation“ oder „Supermutterpowertochter“ beschrieben wurde.
So gesehen stand die kinderlose und erst seit kurzem verheiratete Kristina Schröder von Anfang an im Schatten ihrer Vorgängerin. In der ständigen medialen Stereotypisierung und im Vergleich beider Frauen („Von der Leyens kleine Schwester“) ging schließlich die Möglichkeit einer genauen Beurteilung der neuen Familienministerin unter. Wie gelang Schröder mit ihren erst 32 Jahren in eine solch hohe Position? Und wodurch zeichnet sich ihr Führungsstil im Genauen aus?
Früh, mit bereits 14 Jahren, trat Schröder in die hessische Junge Union (JU) ein. Während Mädchen in ihrem Alter eher selten für Politik schwärmten, war sie bekennender Helmut-Kohl-Fan. Innerhalb der Jungen Union erhielt Schröder schnell erste Posten. Sie gehört seit 1992 dem JU-Kreisvorstand Wiesbaden an und war von 1997 bis 2003 JU-Kreisvorsitzende. In solchen Ämtern lernte Schröder den impliziten Verhaltenskodex der Partei kennen und knüpfte erste Netzwerke.
Schröder erlebte eine klassische Parteisozialisation und ihr Verhalten in der Jungen Union war dementsprechend: Nicht Widerspruchslust, sondern vorbildlich parteikonformes Benehmen war ihr Kennzeichen. Dieses Attribut ist für einen Aufstieg in der Partei unabdingbar. Und so ist es die parteilogische Konsequenz, dass Schröder als CDU-Mitglied weitere Ämter erhielt: Seit 1995 gehört sie dem CDU-Bezirksvorstand Westhessen, seit 2002 dem CDU-Landesvorstand in Hessen an und seit 2002 vertritt sie die hessische CDU im Bundestag. Bei der letzten Bundestagswahl konnte sie sogar ein Direktmandat erlangen – sie setzte sich dabei gegen Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und Ex-FDP-Chef Wolfgang Gerhardt durch.
Aber auch Schröder durchlebte ihre eigene Parteirebellion – jedoch im kleinen Rahmen. So gehörte sie der Pizza-Connection an, in welcher regelmäßig Kontakt mit den Grünen gepflegt wurde. Schröder wich hier, ebenso wie die anderen Pizza-Connection-Mitglieder, vom Mainstream der Partei ab. Und als Jürgen Rütgers (CDU) im Jahr 2006 mit einer längeren Auszahlung des Arbeitslosengeldes für Ältere warb, stellte sich Schröder gegen ihn.
Die bisherige Karriere Schröders macht deutlich, dass sie durchaus politische Erfahrungen mitbringt. Entschlossen und mit kühler Polit-Professionalität hat sie sich hochgearbeitet – ein Karrieremuster, welches bisher eher auf Männer zuzutreffen scheint. Merkels Entscheidung, sie zur Nachfolgerin von der Leyens zu berufen, ist nicht unlogisch. Schröder, die als konservativ bezeichnet wird, soll sicherlich jenes Klientel mit der CDU versöhnen, welches unter von der Leyens Politik unzufrieden gestimmt wurde. Aber auch der Ministerproporz wird eine Rolle bei Schröders Berufung gespielt haben. Denn der zurückgetretene Franz Josef Jung stammt ebenfalls aus Hessen.
Schröders vorbildliche Parteivita, geformt durch Fleiß und Ehrgeiz, hat ihren Führungsstil in eben diese Richtung geprägt. Sie informiert sich, wägt ab und denkt an strategische Konsequenzen. Daher holte sie sich CDU-Experten ins Ministerium: den ehemaligen Bürochef von Alt-Bundeskanzler Kohl, Lutz Stroppe, und den einstigen Büroleiter des Bundesarbeitsministers Norbert Blüm. Auch Ingo Behnel, der zuvor Stabschef der Staatsministerin im Kanzleramt und Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer, war, gehört nun zur Leitungsriege des Familienministeriums. Mittels dieser Entscheidungen kompensiert Schröder geschickt ihre fehlende Führungserfahrung. Zugleich beruhigt sie die Partei. Denn von der Leyen hielt damals an SPD-nahen Experten fest.
Während Schröder in Personalangelegenheiten offensiv vorging, fehlte ihr zunächst diese Tatkraft in der inhaltlichen Akzentsetzung. So titelten die Medien beispielsweise „Blitzstart ohne zündende Idee“ (spiegel-online). Doch nun, nach einigen Monaten der Einarbeitungszeit, lassen sich erste inhaltliche Handschriften der jungen Ministerin im Ansatz erkennen: Das Ziel der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf und die Einrichtung eines Referats zur Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer sind neue Ideen im Ministerium. Vorsichtig geht Schröder in ihrer inhaltlichen politischen Arbeit vor und besetzt dabei Themen, die wenig publikumswirksam sind. Aber auch hier scheint strategisches Kalkül vorhanden zu sein, da wenig öffentliche Aufmerksamkeit auch bedeutet, dass wenig als gescheitert beurteilt werden kann. Zurzeit jedoch fällt die Ministerin ungeschickt mit ihrer Feminismus-Debatte mit Alice Schwarzer auf. Dabei bezieht Schröder eine eher konservative und distanzierte Position zur Frauenbewegung, gesteht aber gleichwohl ein, dass ohne Feminismus auch ihre Karriere in der Männerdomäne nicht möglich gewesen wäre. Diese mindestens missverständliche, auch unsensible oder gare ignorante Wortmeldung, zusammen mit ihrer allgemeinen inhaltlichen Zurückhaltung lassen die Frage aufkommen, für welche Werte die Familienministerin eigentlich steht. Schließlich entsteht der Eindruck, dass sie es selbst nicht zu wissen scheint.
Schröders Parteisozialisation hat entscheidend ihren (bisherigen) Führungsstil geprägt: Ebenso parteikonform geht sie als Ministerin vor. Ihre Sprache ist ruhig und präzise und ihr Handeln wirkt abwägend und strategisch durchdacht. In Personalentscheidungen zeigt sie Fingerspitzengefühl, sodass sie die Partei zufriedenstimmt. Denn sie ist keine politische Newcomerin und weiß, worauf es in einer politischen Karriere ankommt. Doch hier liegt auch ihre größte Schwäche: Sie achtet zu sehr auf ihr parteikonformes Verhalten. Die inhaltliche Ausarbeitung kommt bisher zu kurz und in der Themenwahl ist die junge Familienministerin zu zurückhaltend bis ungeschickt. Insgesamt bekommt ihr Führungsstil den Anstrich „nur keine Fehler machen“. Aber die aktuelle Feminismus-Debatte zeigt, dass Schröder momentan an diesem Motto scheitert. Es bleibt abzuwarten, wie sich Schröders Führungsstil weiterentwickelt und ob mehr inhaltliches Pathos und weniger ungeschickte Äußerungen hinzukommen.
Yvonne Wypchol ist studentische Hilfskraft am Göttinger Institut für Demokratieforschung.