Forscher:innen aus aller Welt diskutieren in Göttingen die Rolle politischer Versprechen

Kurzbeschreibung:

Das Institut für Demokratieforschung (IfDem) richtete vom 10. bis 11. Juli 2025 einen zweitägigen internationalen Workshop unter dem Titel „Promises Under Pressure? The Role of Pledges in a Changing Political Landscape“ aus.

Die Veranstaltung, die von Prof. Dr. Theres Matthieß in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Robert Thomson (University of Hong Kong) organisiert wurde, brachte eine beeindruckende Vielfalt an Forschenden zusammen. Das IfDem durfte eine Gruppe an internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Göttingen empfangen, darunter aus Finnland, Griechenland, Großbritannien, Kanada, den USA, Tschechien und Deutschland, die sich in ihrer Forschung der Untersuchung von Wahlversprechen widmen.

Vordere Reihe (v. l. n. r.): Dr. Petra Vodová, Dr. Evely Bytzek, Dr. Tabitha Bonilla, Benjamin Carignan, Merle Tetenborg, Xiomara Alvarez. Mittlere Reihe (v. l. n. r.): Sakari Nieminen, Dr. Juha Ylisalo, Dr. Fraser McMillan, Simon Kretzschmar, Wiebke Stein, Michael Zylla, Inola Scheel. Hintere Reihe (v. l. n. r.): Dr. Alexandre Fortier-Chouinard, Robin Rentrop, Felicia Riethmüller, Prof. Dr. Theres Matthieß, Emma Lange, Prof. Dr. Robert Thomson, Prof. Dr. Annika Werner, Maximilian Klindworth, Julia Mühlner, Constantinos Saravakos.

In vier thematisch gegliederten Panels wurden aktuelle Forschungsergebnisse und noch in Arbeit befindliche Paper diskutiert. Der erste Block befasste sich mit der Umsetzung von Wahlversprechen in Koalitionsregierungen. Prof. Dr. Petra Vodová von der Universität Hradec Králové untersuchte dazu für Tschechien und die Slowakei die Frage, inwiefern die Umsetzung von Versprechen davon abhängt, welche Wichtigkeit ein Ministerium für die jeweiligen Regierungsparteien besitzt. Dr. Juha Ylisalo von der Universität Turku zeigte am Beispiel Finnlands, dass die genaue und verbindliche Formulierung im Koalitionsvertrag entscheidend für die spätere Umsetzung eines Versprechens ist. Ferner wies Constantinos Saravakos von der Universität Mazedonien in einer auf Griechenland bezogenen Studie nach, dass jene Versprechen, die von Spitzenkandidaten in zentralen Reden betont werden, auch signifikant häufiger erfüllt werden.

Das zweite Panel erweiterte die Perspektive auf übergeordnete politische Rahmenbedingungen. In diesem Block wurde untersucht, wie externe Faktoren die Dynamik von Wahlversprechen beeinflussen. Dr. Alexandre Fortier-Chouinard und Benjamin Carignan von der Universität Laval gingen hierzu der Frage nach, ob mediale und oppositionelle Aufmerksamkeit die Umsetzung von Versprechen beschleunigt. Dr. Fraser McMillan aus Edinburgh stellte eine Arbeit zu der Frage vor, warum Parteien überhaupt durch Wahlversprechen konkurrieren, wenn der Ausgang der Wahlen nicht wirklich in Zweifel steht. Robert Thomson von der Universität Hongkong stellte ein gemeinsames Buchprojekt vor, das die Auswirkungen der Globalisierung auf politische Repräsentation untersucht. Demnach fällt es Regierungen zunehmend schwer, ihre Versprechen einzuhalten, während sie für gebrochene Zusagen stärker zur Rechenschaft gezogen werden. Parteien würden daher vermehrt zu strategisch vager und populistisch geprägter Rhetorik greifen. Den Abschluss machte Prof. Dr. Tabitha Bonilla von der Northwestern University in Chicago, die am Beispiel von Donald Trump zeigte, dass die Bewertung von Wahlversprechen stark parteiisch gefärbt ist, wobei Anhänger die Einhaltung der Versprechen deutlich positiver bewerten als Gegner.

Prof. Dr. Robert Thomson über sein Buchprojekt „Democratic Representation in a Globalized World“.

Der zweite Tag des Workshops begann mit dem dritten Panel, das sich mit der strategischen Formulierung von Versprechen befasste. Dr. Elisa Deiss-Helbig aus Konstanz stellte diesbezüglich eine größer angelegte Studie aus Deutschland vor, die in Co-Autorinnenschaft mit Dr. Isabelle Guinaudeau vom Centre March Bloch und Theres Matthieß entstanden ist. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass gezielte Versprechen an bestimmte Wähler:innengruppen im Vergleich zu einem universellen Angebot kaum zusätzliche Unterstützung mobilisieren, aber Wählende außerhalb dieser Gruppen abschrecken können. Darüber hinaus beleuchtete Sakari Nieminen von der Universität Turku, wie vage Formulierungen und Mehrdeutigkeit in finnischen Wahlprogrammen die Überprüfbarkeit von Versprechen systematisch erschweren und die Forschung damit vor methodische Herausforderungen stellen.

Das abschließende vierte Panel widmete sich ganz der Perspektive der Wählerinnen und Wähler. In einer zweiten Arbeit untersuchte Fraser McMillan inwiefern sich Wählerinnen und Wähler an frühere Wahlversprechen erinnern, wie sie deren Einhaltung bewerten und welchen Einfluss diese Bewertungen auf ihr späteres Wahlverhalten haben. Theres Matthieß präsentierte Ergebnisse dazu, ob Informationen über die tatsächliche Erfüllungsleistung einer Regierungskoalition hinsichtlich ihrer abgegebenen Versprechen die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich ihrer Wahlabsicht beeinflussen. Prof. Dr. Annika Werner von der University of Southampton erforschte, unter welchen Umständen Wählerinnen und Wähler das Brechen von Versprechen akzeptieren. Den Abschluss machte dann Dr. Evelyn Bytzek von der TU Kaiserslautern-Landau, welche mit einer deutsch-französischen Vergleichsstudie die Wirkung von Versprechen zur Einwanderungspolitik auf das Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger untersuchte.

Der Workshop versteht sich als Teil des internationalen Comparative Pledges Project (CPP), einem Forschungsnetzwerk von über 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das Wahlversprechen in insgesamt 16 Ländern auf verschiedenen Kontinenten untersucht. Ziel des Projekts ist es, mittels abgestimmter Methoden vergleichbare Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Wahlversprechen entstehen, wie sie bewertet werden und in welchem Ausmaß sie letztlich umgesetzt oder gebrochen werden. Dabei entstehen sowohl detaillierte Länderstudien als auch umfassende vergleichende Analysen, die länderübergreifende Muster und Unterschiede im politischen Handeln sichtbar machen

Laufende Forschungsprojekte zu Wahl- und Koalitionsversprechen am IfDem:

UNEQUALMAND (ANR/DFG-Förderung): Wie adressieren Wahlversprechen und ihre Realisierungen Zielgruppen in Frankreich und Deutschland? Mehr Informationen finden Sie hier.

Umsetzung von Koalitionsversprechen in Deutschland: Mehr Informationen finden Sie hier. (VERLINKUNG FOLGT)