Zur aktuellen Berichterstattung über türkisch-kurdische Konflikte in Deutschland

Beitrag verfasst von: Julian Schenke
[kommentiert]: Julian Schenke mit einer Richtigstellung zum Beitrag heute+ des ZDF vom 20.03.18.

In der Darstellung des Magazins heute+ wurde über gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen kurdischem und türkischem Milieu in Deutschland anlässlich der türkischen Militäroffensive auf die mehrheitlich von Kurden bewohnte syrische Stadt Afrin berichtet. Zu diesem Thema wurde auch die Bundesfachstelle Linke Militanz[1] von Reportern des ZDF kontaktiert, sodass ich mich als dort forschender wissenschaftlicher Mitarbeiter für ein Interview zur Verfügung stellte.[2]

Im Beitrag selbst wurde ich als einer der zuständigen Experten vorgestellt. Dadurch entsteht misslicher Weise ein verkürztes Bild: Der Zuschauer nimmt mich in der entsprechenden Passage als Kronzeuge für eine Beteiligung von so genannten „Linksextremisten“ – eine Bezeichnung, welche die Bundesfachstelle als unzureichende Begrifflichkeit einschätzt – an den jüngsten Ausschreitungen wahr. So wird die Bundesfachstelle Linke Militanz potenziell und fälschlicherweise als wissenschaftliche Ratifizierungsinstanz von Sachverhalten aufgefasst, welche zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur vermutet werden. Simplifizierende Schuldzuweisungen aber sind auf der Grundlage bisheriger Kenntnisse unmöglich.

Natürlich: Es ist für Reportagen und Nachrichtenbeiträge strukturell erforderlich, Informationen zu komprimieren. In dem genannten Beitrag jedoch gingen wesentliche differenzierende Aspekte verloren, auf die richtigstellend hinzuweisen ist:

  • Ich habe vehement bestritten, dass aus den jüngsten Ereignissen auf einen allgemeinen Anstieg radikal linker Gewalttaten geschlossen werden kann – ganz besonders, weil die Provenienz der Täter bislang ungeklärt ist. Diese wichtige Einschätzung taucht im Beitrag nicht einmal andeutungsweise auf.
  • Richtig ist, dass es schon immer Solidarität zwischen Fraktionen der kurdischen Nationalbewegung und Teilen der (deutschen) radikalen Linken gegeben hat. Damit sollte aber gesagt sein: Der Neuigkeitswert etwaiger Verbindungen dieser Milieus tendiert gegen Null. Dies ist gerade kein automatischer Nachweis aktueller Täterschaften von Sachbeschädigungen.
  • Mein Hinweis darauf, dass die PKK – als „Arbeiterpartei Kurdistans“ – und ihr nahestehende Organisationen sich als sozialistische Vereinigungen verstehen, somit also nicht erst akut in Verbindung mit der auch Teile der deutschen radikalen Linken umfassenden antiimperialistischen Bewegung getreten, sondern seit Jahrzehnten, im Grunde von Anfang an, ein Teil von ihr gewesen sind, wurde nicht beachtet.
  • Ferner blieb im Beitrag unberücksichtigt, dass die Einordnung der PKK als terroristische Vereinigung durchaus umstritten ist, wie der Antrag auf Aufhebung des Betätigungsverbots in Deutschland und auf Streichung von der EU-Terrorliste durch die Fraktion der Linken im Bundestag im Dezember 2014 zeigt.
  • Zur Einordnung der gegenwärtigen Emotionalisierung des Konflikts habe ich konstatiert, dass große Teile der Mehrheitsgesellschaft sowohl Kritik an der türkischen Politik unter Erdoğan als auch an der türkischen Militäroffensive gegen Afrin üben, es sich also nicht nur um eine Position radikaler Minderheiten handelt. Auch diese wichtige Anmerkung fehlt.

Durch Fortlassung dieser differenzierenden Aspekte entsteht ein intuitiv eingängiges, aber sachlich falsches Bild. Manche Mutmaßungen können infolgedessen als vermeintliche Fakten aufgefasst werden. Das aber gefährdet die reflektierte Diskussion über linke Militanz.

 

Julian Schenke arbeitet am Institut für Demokratieforschung und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bundesfachstelle Linke Militanz.

[1] Vgl. zur Aufnahme unserer Arbeit Kevin Zahn, Auftaktkonferenz: Zur Ethnologie Linker Militanz, in: Blog des Instituts für Demokratieforschung, 06.12.2017, URL: https://www.demokratie-goettingen.de/blog/auftaktkonferenz-zur-ethnologie-linker-militanz [zuletzt eingesehen am 22.03.2018]

[2] Vgl. heute+ vom 20.03.18, ZDF, URL: https://www.zdf.de/nachrichten/heute-plus/180320-hplus-gesamt-100.html [zuletzt eingesehen am 22.03.2018]