Yes we can?

[nachgefragt]: Michael Reinke über Barack Obamas Wahlkampf

Du hast in deiner Arbeit den Wahlkampf von Barack Obama untersucht. Was genau hat dich daran interessiert?

Sowohl die Person Barack Obama als auch der Erfolg seines Wahlkampfes haben nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland große Aufmerksamkeit gefunden. In den Medien wurde oft gefragt, warum es eine so charismatische Figur und eine breite Bewegung von politischen Unterstützern eigentlich nicht in Deutschland gibt. Das hat mich interessiert. Ich wollte wissen, ob das Konzept Obama auf Deutschland übertragbar ist.

Wie bist du dabei vorgegangen?

Mit einem Vergleich. Zum einen habe ich das politische und mediale System der USA mit dem der Bundesrepublik verglichen. So wollte ich herausfinden, welche Typen von Politikern in den jeweiligen Systemen Karriere machen und welchen Beschränkungen diese jeweils in Wahlkämpfen unterliegen.  Zugleich habe ich mir die Voraussetzungen des „Change-Movements“ in den USA angeschaut, um herauszufinden, warum Obama so große gesellschaftliche Unterstützung erfahren hat. Was war denn das Besondere an Obamas Wahlkampf?

Hier gibt es verschiedene interessante Eigenschaften. Obama gelang es, über Parteigrenzen hinweg ein großes Publikum für sich zu begeistern. Besonders interessant fand ich Obamas Konzept des aktivierenden Wahlkampfes. Er hat es geschafft, viele Leute dazu zu bewegen, ihn aktiv politisch zu unterstützen.

Auf welchen Voraussetzungen beruhte Obamas Erfolg?

Natürlich ist Obama erstmal ein charismatischer Typ und rhetorisch sehr begabt. Er konnte aber auch verschiedenste Wählergruppen für seine Ideen begeistern. Dabei hat er sich sehr raffiniert zugleich als wertebewusster Traditionalist und Modernisierer verkauft. Glaubhaft wurde das durch seine ungewöhnliche Biografie. Zudem hat ihm die weit verbreitete Unzufriedenheit über die Politik der Bush-Administration geholfen, seine Vision vom gesellschaftlichen und politischen Wandel populär zu machen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der aktivierende Wahlkampf Obamas. Hier spielte vor allem das Internet eine wichtige Rolle. Mit dessen Hilfe konnte Obama direkt mit seinen Unterstützern kommunizieren und diese aktiv in seinen Wahlkampf einbinden. So entstand bei vielen Benutzern eine Art Gemeinschaftsgefühl und der Eindruck, sich an einer großen Vision beteiligen zu können.

Ist das Wahlkampfkonzept von Obama nun auf Deutschland übertragbar?

Am Anfang der Arbeit hatte ich bereits vermutet, dass es zu viele Unterschiede gibt. Am Ende wusste ich es mit Sicherheit. Denn die Differenzen zwischen den USA und der BRD sind einfach zu groß. Das betrifft sowohl die Weise der Rekrutierung von Politikern als auch die Möglichkeiten, die Kandidaten im Wahlkampf haben.

Was meinst du damit genau?

Erst einmal sind politische Karrieren im politischen System der BRD zumeist an die Karriere in einer Partei gebunden. Im Laufe der Parteikarriere werden charismatische Politiker jedoch zumeist abgeschliffen, weil sie unter hohem Anpassungsdruck stehen. Außerdem stehen deutsche Politiker, also selbst die Charismatischen, eben nicht nur für sich selbst, sondern vor allem für ihre Partei. Das schränkt ihre Möglichkeiten ein. In Wahlkämpfen ist es dann natürlich viel schwieriger visionäre oder überparteiliche Botschaften zu verkünden, wenn diese nicht mit dem Parteiprogramm übereinstimmen. Hierdurch ist das mögliche Image eines Kandidaten viel stärker festgelegt und es ist schwieriger eine personalisierte Imagekampagne aufzubauen wie im Fall Obama. Es fehlt sozusagen an frischen und unverbrauchten Gesichtern, die man im Wahlkampf sozusagen neu anmalen kann.

Mal vorausgesetzt wir hätten in der BRD eine(n) geeignete(n) Spitzenkandidaten/in und eine Wechselstimmung  – wäre ein „Obama-Movement“ auch in Deutschland denkbar?

Das glaube ich nicht. In Deutschland fehlt im Gegensatz zu den USA eine verbreitete Tradition  der individuellen Eigeninitiative. Ziviles Engagement in Deutschland ist im Vergleich zu den USA häufiger in größere Institutionen eingebunden. Insbesondere im Wahlkampf gibt es deshalb eine geringere Bereitschaft, eine Partei individuell zu unterstützen. Hinzu kommt die Erosion des Parteiensystems. Parteien verlieren ihre gesellschaftliche Anbindung und es ist viel schwieriger geworden, mit Hilfe von Parteiarbeit Unterstützer für den Wahlkampf zu aktivieren.

Kann denn Obamas Konzept des Onlinewahlkampfes nicht trotzdem ein Vorbild für deutsche Parteien sein?

Das ist schwierig zu beurteilen, da sich die Eigenschaften des deutschen Netzes seit meiner Untersuchung vielleicht gewandelt haben. Zur Zeit meiner Untersuchung wurde festgestellt, dass das deutsche Netz politisch weniger relevant war, als sein amerikanisches Gegenüber. Das gilt sowohl für die Zahl von politisch einflussreichen Politbloggern als auch für die deutschen User. Diese nutzen das Netz weit weniger, um sich politisch zu informieren oder politisch aktiv zu werden. Es ist allerding gut möglich, dass sich dies in Zukunft noch ändert.

  • Michael Reinke: Die Erfolgsgeschichte des Barack Obama. Ein Vorbild für den deutschen Wahlkampf? Ibidem-Verlag 2010. 104 Seiten. 22 Euro.
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