[analysiert]: Benjamin Mayer über den Wechsel an der Spitze der NPD.
Am Wochenende fand im brandenburgischen Neuruppin der Personalparteitag der rechtsextremen NPD statt. Holger Apfel, Vorsitzender der sächsischen Landtagsfraktion der NPD, wurde zum neuen Vorsitzenden der Partei gewählt. Apfel löst damit nach 15 Jahren Amtszeit seinen politischen Ziehvater Udo Voigt an der Spitze der Partei ab.
Dem Parteitag der NPD ging in den einschlägigen Szenepublikationen eine heftige Diskussion über die anstehenden Personalentscheidungen voraus. Umso näher der Parteitag rückte, desto deutlicher trat der sich anbahnende Machtkampf über die Führung der Partei zutage. Am Ende war die Diskussion alles andere als kameradschaftlich. Man bezeichnete sich gegenseitig als „Speichellecker“ und legte in Onlineforen sogar intimste Beziehungen zwischen Parteimitgliedern offen. Die Partei war tief gespalten und die angegriffene Führungsriege der NPD reagierte teilweise mit wilden Beißreflexen.
Mit dem Parteitag haben die Delegierten der rechtsextremen Partei den Machtkampf nun beendet. Bis zuletzt war unklar, wie die Wahl ausgehen würde. Der bisherige Vorsitzende Voigt galt bereits seit langer Zeit als stark angeschlagen; eine Finanzaffäre, harte Wahlniederlagen und immer wieder der Vorwurf der Konzeptlosigkeit hatte seinen ehemals festen Stand in der Partei deutlich geschwächt. Doch auch sein Herausforderer Apfel genießt bei vielen an der Basis der Partei kein Vertrauen – einer Mehrheit konnte auch er sich nicht sicher sein. Am Ende entschieden sich von den 214 anwesenden Delegierten 126 für Holger Apfel und 85 für Udo Voigt und votierten damit auch für eine versprochene Erneuerung der Partei. Drei Stimmen wurden als ungültig gewertet.
Dass die NPD nicht geschlossen hinter Apfel steht, ist dann bei der Wahl der weiteren Vorstandsmitglieder deutlich geworden. Zwar konnte sich der neue Vorsitzende weitestgehend mit seinem gewünschten Vorstand durchsetzen, aber die Delegierten wählten auch einige Kandidaten in das oberste Parteigremium, die nicht zu Apfels Vertrauten zählen. So sind auch Voigts ehemaliger Pressesprecher, Klaus Beier, und der ehemalige DVU-Vorsitzende, Matthias Faust, wieder im Vorstand vertreten. Michael Schäfer hingegen, der Vorsitzende der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD, wurde nicht gewählt, was für Apfel ein schwerer Schlag gewesen sein dürfte. Denn Schäfer galt als einer von Apfels entschiedensten Unterstützern. Die Belohnung für diese Unterstützung durch einen Vorstandsposten wurde ihm letztlich durch die Delegierten verwehrt.
Die Wahl Apfels zum Vorsitzenden der NPD ist Ausdruck der Hoffnung vieler Parteimitglieder, endlich über die eigene Szene hinaus politischen Einfluss zu erlangen. Der neugewählte Vorsitzende ist für viele eine Symbolfigur einer „modernen“ strategischen Ausrichtung der Partei und damit Garant für den angestrebten Weg in die Mitte der Gesellschaft. Apfel hatte es in Sachsen immerhin geschafft, die Rechtsextremen zweimal in Folge in den Landtag zu befördern.
Zuletzt fehlte es der Partei dennoch an Elan: „Holger Apfel wird versuchen müssen, diesen Schwung wieder herzustellen.“, sagt der Rechtsextremismusexperte und Politikwissenschaftler der Universität Potsdam, Gideon Botsch. „Dazu braucht er die Mobilisierungsfähigkeit des neo-nationalsozialistisch orientierten Kameradschaftsflügels innerhalb seiner Partei, mit dem er ja in Sachsen seit jeher eng kooperiert.“
Erreichen will Apfel seine Ziele über ein Konzept, das er selbst als „seriöse Radikalität“ bezeichnet. Er meint damit vor allem eine verbesserte Außenwirkung der Partei und dezidiert keine inhaltliche Veränderung. Es geht also darum, „keine Polit-Sekte und Bürgerschrecktruppe“ mehr zu sein und eben nicht um „inhaltliche Anpassung und die Aufweichung unserer Grundsätze“, wie Apfel sagt.
Apfel übernimmt jedoch eine Partei in schlechtem Zustand. Botsch verweist auf die zahlreichen Baustellen der NPD, derer sich Apfel annehmen muss: „Integration einer schwer zu integrierenden, chaotischen Partei; Behauptung seiner Führungsposition gegen zahlreiche Prätendenten auf das Amt; eine desolate finanzielle Situation; den Umgang mit einer tiefen Verstrickung der NPD ins gewalttätige Neonazi-Milieu.“ Gerade die letzten Enthüllungen um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ – eine rechtsextreme Terrorzelle – könnten ein NPD-Verbotsverfahren nach sich ziehen, meint Botsch.
Der neue Parteivorsitzende äußerte sich in einer kurzen Stellungnahme zu den Vorgängen rund um die neuesten rechtsterroristischen Enthüllungen. Man verurteile jeden politischen Terrorismus und Gewalt, sehe aber in den erneuten NPD-Verbotsforderungen vor allem ein Ablenkungsmanöver, um die Verstrickungen des Verfassungsschutzes zu verdecken.
Benjamin Mayer ist Politikwissenschaftler.