[analysiert]: Bastian Brandau über rechtspopulistische Parteien in Italien.
Rechtspopulistische Ideen sind in Italien weit verbreitet. Gleich mehrere Parteien und Bewegungen bedienen sich im Vorfeld der Europawahlen einfacher Ideen, die sich gegen Ausländer und „die da oben“ wenden. Die Büchse der Pandora öffnete Silvio Berlusconi. Als seine Forza Italia 1994 gemeinsam mit den Separationisten der Lega Nord, den Postfaschisten der Alleanza Nazionale und der rechten Kleinstpartei Forza Nuova eine Regierung bildete, vertraten einige von ihnen offen rechte Ideen – bis dahin im postfaschistischen Italien ein Tabu. Außenminister wurde Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale[1] (AN), der sich erst im Amt öffentlich vom Faschismus abwendete. Die AN und die Lega, sie blieben Berlusconis Vasallen und treue Stimmbeschaffer bei seinen weiteren Amtszeiten bis zuletzt 2012. Und sie sorgten für eine Verschärfung des ausländerfeindlichen Diskurses, der schließlich salonfähig wurde.
Jahrelang standen grüne Hemden in der ersten Reihe, wenn es darum ging, gegen Ausländer und Europa zu schießen. Die Lega Nord – ihr Symbol ist das grüne Keltenkreuz – denkt noch kleinteiliger: Sie strebt nach einer Autonomie des wirtschaftlichen starken Nordens vom Rest Italiens. Denn die Zahlungen an „Roma ladrona“, das diebische Rom, hemmen der Lega zufolge den Norden, dem sie in einem obskuren Ritus gerne keltische Wurzeln zuschreiben, in seiner Entwicklung und Freiheit. Wer sich aber bereits für Süditaliener nicht begeistern kann, tut dies noch weniger für Menschen, die einem noch fremder sind. Das scharfe Einreisegesetz Italiens, das Verbot, in Not geratenen Flüchtlingsschiffen zu helfen, es trug den Namen des langjährigen Lega-Inspirators und Parteiführers Umberto Bossi. Der gibt sich gerne derbe marktschreierisch im Unterhemd, laut bei seinen Auftritten, auch dann noch, als er bereits von mehreren Schlaganfällen gezeichnet ist.
Und obwohl die Partei während ihrer Kooperation mit Berlusconi ihr Pulver verschossen zu haben scheint und ihren Zenit offenkundig überschritten hat, tritt sie nun im mit anderen rechtspopulistischen Parteien im europäischen Verband an. Ihr jung-dynamischer Spitzenkandidat begibt sich im Vorfeld der Wahl auf die aussagekräftige „Basta-Euro-Tour.“ Ein entsprechendes Handbuch, das im Internet verfügbar ist, erklärt in 31 Punkten, warum es Italien ohne den Euro besser gehen würde. Der Wahlkampf ist für die Lega nicht weniger als „unserer Befreiungskampf gegen den Euro. Dies ist der einzige Weg den wir haben: Aus einer Währung auszusteigen, die unsere Familien und Unternehmen erwürgt.“[2] Lange Zeit gingen mit den politischen Forderungen stets ein Anspruch auf Sauberkeit und der Stolz einher, nicht derart korrupt zu sein, wie man es von allen anderen Parteien behauptete – ein Lügengebäude, das 2012 krachend zusammenstürzte. Bossi und seine Familie, so kam heraus, hatten sich schamlos an der prall aus Walkampferstattungen gefüllten Parteikasse bedient. Und das war nur der Kern des Lügengebildes. Seitdem ist die Lega moralisch in Bedrängnis, nur noch ein Schatten ihrer selbst. Erfolge wird sie nur noch in ihren nördlichen Hochburgen haben, wo sie über ein starkes Elektorat verfügt und in der Lombardei auch den Ministerpräsidenten stellt. Die Rolle des politischen Saubermannes hatte die Lega 2012 bereits an die politischen Newcomer des Movimento 5 Stelle abgegeben, die von der Lega die Ablehnung der classe politica als raison d’être übernommen hatte.[3]
In der Ablehnung des politischen Systems und seiner Vertreter sehen sich die Aktivisten der Fünf-Sterne-Bewegung als weder links noch rechts. Daraus resultierend gibt es keine Berührungsängste mit rechten Parteien – in sachlichen Fragen, wie stets betont wird. Ideologisch ist die Partei nicht ausländerfeindlich. Populistisch aber allemal, und Parteiführer Beppe Grillo ist sich nicht zu schade, regelmäßig mit einschlägigen Bemerkungen am rechten Rand zu fischen. Diese sind dabei ähnlich diffus wie seine Einstellungen in der Europapolitik: Mal soll über einen Austritt aus dem Euro-Raum abgestimmt werden, mal die ganze EU abgeschafft werden.[4] So wollen sie stärkste Kraft in Italien werden – ein Ziel, das zumindest nicht ganz unrealistisch scheint und die etablierten Kräfte des politischen Systems erneut ins Mark treffen würde, insbesondere den neuen Premierminister Matteo Renzi.
Zu den Etablierten gehört nach wie vor auch die Partei Silvio Berlusconis, die nun wieder wie zu ihrer Gründungszeit Forza Italia heißt. Auch Berlusconi störte sich Zeit seines politischen Lebens nie an rechter Stimmungsmache, die so dauerhaft das politische Klima vergiftete. Seine rassistischen Herrenwitze sind nur symptomatisch für diese Entwicklung. Die Partei kann sich nach dem Schock der Verurteilung und Amtsenthebung Berlusconis derzeit zwar kaum bewegen, aber inhaltlich, so viel steht schon seit langem fest, zielt auch sie gegen Europa im Allgemeinen und Angela Merkel im Speziellen:[5] Ein Ende der Austeritätspolitik in der Eurozone, Ausgleich der öffentlichen Schulden und eine Diskussion über den Euro und seinen Nutzen stehen auf der Agenda.[6]
All das würden wohl auch jene Menschen unterschreiben, die im Winter mit Mistgabeln auf die Straße gingen. Die Bewegung der Forconi (dt. „Mistgabeln“) legte mit Großdemonstrationen mehrere italienische Städte lahm. Auch rechte Parteien wie die politisch unbedeutende Forza Nuova suchten und fanden ihre Aufmerksamkeit. Doch war es vor allem diffuse Wut über die eigenen Lebensumstände und die Suche nach einem Schuldigen dafür, die insbesondere Selbstständige und Kleinstunternehmer, aber eben auch Agrikulteure auf die Straße trieb (daher der Name). Sie schwammen auf der Welle der allgemeinen Empörung mit – wie rechts sie einzuschätzen sind, wussten sie wohl selbst nicht. Aber die ausländerfeindlichen Aussagen von Demonstrierenden, das Präsentieren einer Mussolini-Tätowierung machen auch hier deutlich:[7] Unabhängig davon, wie unrealistisch[8] die Forderungen sind – Rechtspopulismus ist vor der Europawahl in Italien nicht weit entfernt vom politischen Mainstream.
Bastian Brandau ist Politikwissenschaftler und war Mitarbeiter am Göttinger Institut für Demokratieforschung.
[1] Die Alleanza Nazionale hat inzwischen ihre politische Bedeutung praktisch komplett eingebüßt.
[2] “la nostra guerra di liberazione contro l’euro. E‘ l’unica strada che abbiamo per salvarci: uscire da una moneta, l’euro, che sta strangolando le nostre famiglie e le nostre imprese“. So der Spitzenkandidat Matteo Salvini am 14.03.2014 auf dem Internetauftritt der Lega Nord, abrufbar unter http://www.leganord.org/index.php/notizie2/12208-governo-salvini-renzi-va-a-prendere-ordini-dalla-merkel-noi-saremo-in-piazza-per-guerra-di-liberazione-dall-euro [eingesehen am 19.03.2014].
[3] Vgl. Brandau, Bastian: Fünf Sterne gegen Berlusconi. Das Movimento 5 Stelle und sein Weg in die italienische Politik. Stuttgart 2013, S. 89.
[4] Vgl. o.A.: Europee, Le Pen: “Grillo? Mi odia, non so perché”. Lui: “Nessun accordo con Fn”, in: ilfattoquotidiano.it, 24.03.2014, abrufbar unter http://www.ilfattoquotidiano.it/2014/03/24/francia-le-pen-grillo-lui-mi-odia-ma-i-programmi-dei-nostri-partiti-sono-simili/924619/ [eingesehen am 14.04.2014].
[5] Vgl. o.A.: Berlusconi will mit Anti-Deutschland-Kurs ins EU-Parlament, in: sueddeutsche.de, 06.02.2014, abrufbar unter http://www.sueddeutsche.de/politik/europawahl-berlusconi-will-mit-anti-deutschland-kurs-ins-eu-parlament-1.1881124 [eingesehen am 19.03.14].
[6] Vgl. Goria, Fabrizio: La nuova Forza Italia anti-euro che i mercati temono, 28.11.2013 abrufbar unter http://www.linkiesta.it/berlusconi-decadenza-mercati [eingesehen am 19.03.2014].
[7] Vgl. Servizio Pubblico, la protesta dei Forconi a Roma, Fernsehbeitrag vom 12.12.2013, abrufbar unter http://tv.ilfattoquotidiano.it/2013/12/12/servizio-pubblico-protesta-dei-forconi-a-roma/257939/ [eingesehen am 14.04.2014].
[8] Vgl. Postiglione, Alessio: Forza Italia, M5S e Lega: il bluff dell’opposizione anti-Euro, in: huffingtonpost.it, 28.11.2013, abrufbar unter http://www.huffingtonpost.it/alessio-postiglione/forza-italia-m5s-e-lega-il-bluff-dellopposizione-anti-euro_b_4351887.html [eingesehen am 12.04.2014].