Feminismus und Empowerment in der Mode. Bemächtigung statt Ermächtigung.

Beitrag verfasst von: Pauline Höhlich

[analysiert]: Pauline Höhlich über feministische Statements auf Modeartikeln

Was vor noch gar nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen wäre, ist seit wenigen Jahren tatsächlich Realität: Feminismus ist wortwörtlich in Mode. Feministische Statements sind nun auch irgendwie modische Statements – oder umgekehrt – und lassen sich ganz einfach und für jedermann bzw. -frau sichtbar miteinander kombinieren. So lautete die Kampagne von Dior bereits im Frühling-Sommer 2017 „We Should All Be Feminists“. Teil dieser Kollektion ist ein schlichtes weißes T-Shirt mit ebendieser Aufschrift. Es ist an den Titel des populären Essays der nigerianischen Autorin Chimamanda Ngozi Adichie[1] aus dem Jahr 2014 angelehnt, deren Überzeugungen die verantwortliche Designerin Maria Grazia Chiuri laut Modelabel teilt. Die gesamte Kollektion sei für engagierte Frauen entworfen.[2] In diesem Sinne wird der bedruckte Baumwollstoff, wie es in der Modebranche nun einmal üblich ist, von überaus jungen und mageren Models präsentiert und von der Luxusmarke für 550 Euro verkauft.[3]

Für die weniger gut betuchten Feminist*innen, die ihr tragbares Statement zu erschwinglicheren Preisen erwerben möchten, haben Kleiderketten und Onlinehändler variationsreiche Kleidung, mit der frau sich ihren Feminismus ganz einfach überstülpen kann. Aktuell gibt es bei H&M einen (besonders!) kurzen Minirock mit Nieten und „feminist“-Anhänger zu kaufen.[4] Amazon bietet neben unzähligen weiteren Spielarten ein T-Shirt mit „Feminist“-Aufdruck im 70er-Jahre-Retrostyle an.

Mode bzw. Ästhetik und Feminismus bildeten schon immer ein schwieriges Paar. Emanzipiert und schön sein – ist das überhaupt möglich? Dieser scheinbare Gegensatz hat historische Wurzeln. Das Hin und Her zwischen Mode als (sichtbare) Form der weiblichen Unterdrückung sowie der Rebellion gegen die jeweilige herrschende Kleiderordnung in Form von eigensinniger, innovativer Kleidung als Ausdruck der Selbstermächtigung geht zurück bis zu den Suffragetten. Sie entledigten sich dem Korsett und trugen weite Röcke, in denen sie sich frei bewegen konnten. In dieser Reformkleidung erkämpften sie vor hundert Jahren das Wahlrecht für Frauen.[5] Im Nachkriegsdeutschland wiederum wurden Mode und Schminke nach den düsteren Jahren voller Entbehrungen zur Ausdrucksform einer wiedererlangten Normalität. Frauen konnten sich schön zurechtmachen und taten dies voller Genuss. Im gleichen Zug wurden sie wieder ins Häusliche und Private gedrängt, um sich dort alleinig der Haus- und Fürsorgearbeit zu widmen. Sie wurden zur Dekoration des Patriarchats. Als in den 70ern die zweite Frauenbewegung durch Deutschland und andere Teile der Welt rollte, richtete sich der Protest auch gegen die traditionellen Rollenbilder und hiermit verbunden gegen die aufwendige Aufmachung von Frauen, die als Zeichen der weiblichen Unfreiheit gesehen wurden.[6] Dass diese Frauen nicht mehr nur schön sein, nichts mehr mit Lippenstift und BHs zu tun haben und lieber lila Latzhosen tragen wollten, kam bei Teilen der Bevölkerung gar nicht gut an. Feminist*innen wurden als unrasierte und hässliche Furien gebrandmarkt und als „Hexen“ oder „Lesben“ beschimpft.[7] Das Adjektiv „hässlich“ geht etymologisch auf das Substantiv „Hass“ zurück. Dem Feminismus haftet bis heute ein unschönes ästhetisches Vermächtnis an.

T-Shirts mit feministischen Slogans wurden erstmals im größeren Stil über die Internetseite der amerikanischen Stiftung Feminist Majority vertrieben, insbesondere in Form eines schlichten weißen mit der Aufschrift „This is What a Feminist Looks Like“. Als sich Stars wie Ashley Judd, Whoopi Goldberg und Margaret Cho mit ihrer Ausfertigung des bedruckten T-Shirts ablichten ließen, wurde das Kleidungsstück in den darauffolgenden Jahren zum Verkaufsschlager. Feminist Majority vertrieb allein 650 unterschiedliche Variationen des T-Shirts. Das wortwörtlich Anziehende an dem Spruch liegt auf der Hand: Der Feminismus trug lange Zeit das beschriebene unschöne ästhetische Erbe mit sich, was wohl nicht wenige Personen daran hinderte, sich dieser Bewegung anzuschließen bzw. sich offen zu ihr zu bekennen. Einerseits konnte dieser Trend nun also mit den negativen Vorurteilen aufräumen. Andererseits lockerte er aber auch die überhöhten Erwartungen in Bezug auf diejenigen öffentlich agierenden Feminist*innen auf, die sich weder ausschließlich zwischen dem einen (Feminismus) oder dem anderen (Mode bzw. Ästhetik) entscheiden wollten, dabei aber zuvor dem Vorwurf ausgesetzt waren, nicht glaubhaft zu sein.[8]

Auf der Pariser Fashion Week 2014 ließ Karl Lagerfeld seine Models, allen voran Gisele Bündchen, Cara Delevigne und Kendall Jenner mit großen Schildern den „Boulevard Chanel“ als Teil eines simulierten Protestmarsches für Frauenrechte entlanglaufen. Die Slogans wie „Ladies First“, „Feminist But Feminine“, „Boys Should Get Pregnant Too“ und „Make Fashion Not War“ waren inhaltsleer und lächerlich.[9] Sie wurden – wenig feministisch – in einer Parade aus dünnen, fast ausschließlich weißen jungen Frauen in extraordinär teuren Outfits vorgeführt. Dass Karl Lagerfeld, der die britische Sängern Adele „ein bisschen zu dick“ fand, in seinem hohen Alter auf einmal passionierter Feminist geworden ist, scheint also fraglich. Nein, als überaus bewanderter Mode-Guru hatte er vielmehr ein Gespür für den Puls der Zeit. Denn in dieser Zeit bekannten sich nun weitere Stars mit und ohne T-Shirt offen zum Feminismus – und zwar die ganz großen: nämlich Emma Watson, Beyoncé, Rihanna, Natalie Portmann und Jennifer Lawrence.[10] In Interviews gehörte die Frage „Bist du Feminist*in?“ plötzlich zum Standard-Fragen-Katalog – nicht nur gegenüber weiblichen Stars.[11]

T-Shirts mit „Feminist“-Aufdruck sind bis heute überaus begehrt, und Teil eines weltweit florierenden Marktes mit unzähligen Angeboten. „Nach Jahrzehnten hämischer Spottgesänge über ungekämmte Tussen in Birkenstock-Latschen und unförmigen Latzhosen war der Feminismus nun endlich in Mode“.[12] Zwar durchlief er hierüber eine Transformation von ethischen Überzeugungen, die sich auf Menschenrechte beriefen, zu leicht konsumierbaren Produkten, aber immerhin ist er wieder sichtbar und im Gespräch. Oder?

Wohlfühl-Feminismus zum Anziehen

Natürlich wurde von feministischer Seite auch Kritik gegenüber den bedruckten T-Shirts geäußert. Einige empfanden Slogans wie „This is What a Feminist Looks Like“ als zu umgänglich und befürchteten, damit würde der Anschein erweckt, Frauen könnten Feminist*innen und dennoch überzeugte Anhänger*innen der gängigen Schönheits- und Attraktivitätsstandards sein, die der Feminismus doch eigentlich beseitigen möchte. Die Beispiele von Dior und Chanel verdeutlichen, dass die Sorgen dieser kritischen Stimmen nicht unbegründet sind. Denn diese Modefirmen verknüpfen ihre Marke mit dem Thema Feminismus, ohne dabei aber ihre eigene Rolle zu hinterfragen. In der Mode gelten weiterhin die besorgniserregenden krank machenden Schönheitsideale. Obsessive Jugendlichkeit, der Schlankheits- bzw. Magerwahn und Körperstellen, an denen noch ein bisschen mehr als Haut und Knochen übrigbleiben, sollen bitte schön durchtrainiert sein. Make-up und Photoshop sorgen für die fehlende natürliche Perfektion und Makellosigkeit. Luxusmarken wie Chanel und Dior vertreiben ihre Kleidung zu exklusiven Preisen, die sich keine normalverdienende Frau leisten kann. Da bleiben nicht mehr viel Feminismus und echtes Empowerment übrig. Was allerdings bleibt, ist die Armee aus Schneiderinnen, die unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen Kleidung nähen, welche sie sich angesichts des geringen Stundenlohns und der eigenen Armut selbst niemals kaufen könnten. Bei uns gelangt diese Mode als „Fast Fashion“ in die (Online)Kaufhäuser, wo sie so günstig angeboten wird, dass Kleidungsstücke oftmals nach ein- oder zweimaligem Tragen in dem Müll landen. Zwar hat der Einsturz der Nähfabrik in Bangladesch 2013 mit seinen 1.300 Opfern das Bewusstsein für dieses globale Problem vergrößert. Doch geändert hat sich seitdem wenig. Oder, um es mit den Worten der Autorin Andi Zeisler auszudrücken: „Am Ende liegt eine widerliche Anmaßung darin, die Mode als Reich der feministischen Selbstverwirklichung in den Himmel zu heben, während all die Frauen, die diese Kleidung herstellen, sich einen solchen Luxus nicht leisten können.“[13]

Allein der Markt diktiert und in den genannten Fällen diktierte er, dass Feminismus jetzt cool ist. Feminismus, einst herabgewürdigt als anstrengende Belange von zynischen, verbohrten und frustrierten Männerhasserinnen, ist nun erheblich aufgewertet – er ist marktfähig geworden und macht nun als Modeausdruck Karriere. Obwohl die Probleme, welche im Fokus feministischen Strebens stehen, noch immer ungelöst sind, repräsentieren Stars, Unternehmen und die Mainstreamkultur, einen lockeren, federleichten „Wohlfühl-Feminismus“, oder auch „Pop-Feminismus“[14] ohne schweren Inhalt. Dabei herrscht die Überzeugung, dass der Kaufakt selbst ein Schalthebel feministischer Ermächtigung sei.

Empowerment zum Mitnehmen

Um ihre jeweiligen Produkte an die Frau zu bringen, bedienen sich die Unternehmen der feministischen Ausdrucksweise und Theorie. Der dahinterliegende Gedanke ist, dass die Selbstermächtigung der Konsumentinnen über ihre individuelle Kaufwahl erfolgt – „und dabei sind diese Entscheidungen nicht Mittel zum Zweck, sondern der eigentliche Zweck“.[15] Zeisler nennt die Verbreitung dieses Glaubens „Choice-Feminismus“. Insgesamt geht es weniger darum, was gewählt wird, als vielmehr um die allgemeine Errungenschaft, wählen zu können. Eng hiermit verknüpft ist das sog. „Empowertising“. Es umschreibt die Werbetaktik, die der Verbraucherin das Gefühl gibt, dass in jedem auserwählten, individuellen Kaufakt ein wenig Feminismus enthalten sei.[16] Dabei kann die Etikettierung eines bestimmten Produktes durch eine selbsternannte Feministin hilfreich sein. Letzteres stellte sich allerdings im vergangenen Sommer 2018 für die Kosmetikmarke L‘Oréal mehr oder weniger als Fehlschlag heraus. Das Unternehmen veröffentlichte im Netz ein Schminktutorial, in dem die deutsche Sängerin Lena Meyer-Landrut erklärte, wie der Feminstinnen-Look ganz einfach nachzuahmen sei. Die dafür nötigen „feministischen“ Farben findet man nach wie vor in der „Statement Look Feminist“-Palette von L’Oréal.[17] Das Video wurde nach erheblicher Kritik verschiedenster Medien und negativen Online-Kommentaren wieder gelöscht. Empowertising gaukelt vor, dass allein der bloße Umstand, weiblich zu sein – oder wie bei L’Oréal Feministin zu sein bzw. zumindest wie eine aussehen, was immer das auch bedeuten mag – gefeiert werden müsse. Auch für letzteres gibt es einen Begriff, dieser stammt sogar von den Werbeunternehmen selbst: Mit Femvertising oder #Femvertising feiern sich die Werbemacher*innen selbst für die großartige Idee, ihre potenziellen Konsumentinnen nicht wie üblicherweise erst kleiner zu machen, um ihnen dann das Produkt als Abhilfe anzubieten. Nein, Femvertising zielt darauf ab, Frauen zu feiern, zu stärken und ihnen dann natürlich als Sahnehäubchen durch Kauf zu erwerbende Warenartikel anzubieten, mit denen sie noch ein bisschen besser werden können.

Statt Gleichberechtigung und Diversität in der Gesellschaft mit allen Mitteln voranzutreiben, beobachten wir in den hübsch anzusehenden (und kostspieligen) Feminist*innen-T-Shirts, wie der Pop-Wohlfühl-Feminismus von den hartnäckig fortbestehenden Ungleichheitsformen ablenkt.

[1] Siehe hierzu auch ihren TED-Talk, URL: https://www.ted.com/talks/chimamanda_ngozi_adichie_we_should_all_be_feminists.

[2] Dior, URL: https://www.dior.com/diormag/de_de/article/kampagne-fr%C3%BChling-sommer-2017-we-should-all-be-feminists [eingesehen am 22.01.2019].

[3] Baurmann, Jana Gioia: No FEMINISTS, in: Zeit Online, 06.04.2017, URL: https://www.zeit.de/2017/15/frauenbewegung-marketing-werbung-feminismus-auswirkungen/komplettansicht [eingesehen am 30.01.2019].

[4] H&M, URL: https://www2.hm.com/de_de/search-results.html?q=feminist [eingesehen am 30.01.2019].

[5] Voigt, Claudia: Passt mir das?, in: Der Spiegel, Nr. 49, 01.12.2018, S. 135.

[6] Voigt, Claudia: Stilfrage, in: Der Spiegel, Nr. 41a, 10.10.2018, S. 52.

[7] Zeisler, Andi: Wir waren doch mal Feministinnen. Vom Riot Grrrl zum Covergirl – Der Ausverkauf einer politischen Bewegung, Zürich 2017, S. 88.

[8] Ebd., S. 86 ff.

[9] Cosslett, Rhiannon Lucy: Chanel: co-opting feminism at Paris fashion week, in: The Guardian, 30.09.2014, URL: https://www.theguardian.com/commentisfree/2014/sep/30/chanel-karl-lagerfeld-feminism-paris-fashion-week [eingesehen am 30.01.2019].

[10] Baurmann, Jana Gioia: No FEMINISTS, in: Zeit Online, 05.04.2017, URL: https://www.zeit.de/2017/15/frauenbewegung-marketing-werbung-feminismus-auswirkungen/komplettansicht [eingesehen am 30.01.2019].

[11] Zeisler, Andi: Wir waren doch mal Feministinnen. Vom Riot Grrrl zum Covergirl – Der Ausverkauf einer politischen Bewegung, Zürich 2017, S. 150 f.

[12] Ebd., S. 90.

[13] Ebd.,S. 85.

[14] Ebd., S. 12.

[15] Ebd., S. 36.

[16] Ebd.

[17] Knoll, Rebekka: Wie schminkt man sich zur Feministin? Umstrittenes Video von Lena Meyer-Landrut gelöscht, in: HNA.de, 04.07.2018, URL: https://www.hna.de/kassel/lena-meyer-landrut-zeigt-wie-man-sich-zur-feminstin-schminkt-10006567.html [eingesehen am 30.01.2019].