Erklärung des Instituts für Demokratieforschung zu einem neuen Forschungsprojekt

Das Institut für Demokratieforschung ist vom Bundesvorstand der Partei Bündnis 90/Die Grünen gebeten worden, „sich im Rahmen eines Forschungsprojektes mit der Frage des Einflusses von Gruppen mit pädophilen Forderungen innerhalb der Grünen Parteien zu beschäftigen.“ Das Institut ist dazu grundsätzlich bereit. In den nächsten Tagen sollen die vertraglichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Sodann wird eine Forschungsgruppe aus mehreren wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebildet, welche ihr Arbeitsprogramm, die Untersuchungsfelder und methodischen Wege festlegt. In dieser Phase werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts keine Mutmaßungen, Deutungsannahmen oder subjektiven Meinungsäußerungen zum Thema abgeben, da sonst die Seriosität des Projekts von vornherein gefährdet wäre. Im Vergleich zu anderen Studien, die das Institut durchgeführt hat, wird die aktuell anstehende Untersuchung zweifelsohne unter schwierigeren Bedingungen durchgeführt werden müssen.

Was immer die politischen Interessen des Bundesvorstandes der Partei Bündnis 90/Die Grünen an einer solchen Expertise sein mögen – es hat uns nicht zu interessieren und wird uns auch im Forschungsprozess in keinem Moment anleiten. Allein schon die vertragliche Festlegung wird jeden Versuch einer Einflussnahme strikt untersagen. Wir forschen weder für noch gegen eine Partei. Wir werden uns in unserer Fragestellung – von wem auch immer – nicht begrenzen oder fixieren lassen. Wir werden die Interna der Beschlüsse, Diskussionen und Vorgänge in der Grünen Partei so umfassend wie möglich ausleuchten. Wir werden aber auch über die Partei hinaus das frühere Milieu der sozialen Bewegungen, die Vielzahl alternativer Zeitungen und Kleingruppen, ebenfalls einzelne Personen, akribisch in den Blick nehmen. Der jeweilige Zeitkontext wird stets berücksichtigt, ohne dass daraus eine Apologie eines Verhaltens wegen der „besonderen Zeitumstände, die man doch berücksichtigen müsse“, resultiert. Wir werden übrigens – als ein Institut für Demokratieforschung – immer auch über die Ursache, Funktion, Wirkung, die Tücken von Tabubrüchen und die Techniken politischer Provokation reflektieren. Wir werden uns zur Erhellung und Analyse pädophiler Gruppierungen, Postulate und Aktivitäten der (auch personellen) Kompetenz von Nachbardisziplinen der Forschung inkl. deren Erkenntnisse über sexuellen Missbrauch in weiteren Institutionen und Zusammenschlüssen bedienen.

Ein universitäres Forschungsprojekt, das sorgfältig wissenschaftliche Maßstäbe zu beachten hat, braucht Zeit. Wir hoffen zum Ende des Jahres 2014 einen veröffentlichungsfähigen Abschlussbericht, der keineswegs allein buchhalterisch Beschlusslagen dokumentieren soll, sondern die Vorgänge, um die es hier geht, in einen größeren Zusammenhang mit der grünen Frühgeschichte, der damaligen geistig-kulturellen Konstellation in der Republik, natürlich den Debatten zur Sexualität insgesamt, schließlich zu den Ambivalenzen von Emanzipationsbewegungen stellen will, vorlegen zu können. Wir streben allerdings ebenfalls einen tragfähigen Zwischenbericht an, da nicht unterstellt werden möge, dass ein politisch derzeit brisantes Thema lediglich verschleppt und durch Delegation in den akademischen Binnenraum gleichsam entsorgt werden soll. Die wissenschaftliche Solidität muss und wird für uns den Vorrang haben. Aber Debatten in der Demokratie sind für uns als universitäre Einrichtung mit einem diesbezüglich besonderen Auftrag nicht hinterrangig.

Kontakt: fgg[at]demokratie-goettingen.de