Das Krisenfest der deutschen Wirtschaft

[präsentiert]: Christian von Eichborn über die „Zeit-Konferenz Deutsches Wirtschaftsforum“.

Veranstaltungen der Zeit zeichnen sich vor allem durch prominente Gäste aus. Auf der „Zeit-Konferenz Deutsches Wirtschaftsforum“ war das ebenso. Spitzenpolitiker und Spitzenmanager wurden in Diskussionen verwickelt oder ausgiebig interviewt. Im Zentrum der eintägigen Veranstaltung stand die krisenhafte ökonomische Entwicklung der vergangenen vier Jahre. „Verantwortung in der Wirtschaft“ und „Europa“ waren mitunter die Themen, über die gesprochen wurde. Helmut Schmidt diskutierte mit Wolfgang Schäuble über Europa, Rainer Brüderle und Oskar Lafontaine über liberale Wirtschaftspolitik. Die Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, von Nestlé und der Daimler AG wurden zu den Herausforderungen ihrer Unternehmen interviewt. Trotz aller Prominenz stand am Ende jedoch das Publikum im Mittelpunkt der Veranstaltung.

Das Ambiente sollte den großen Themen gerecht werden und zur Ehrfurcht vor den großen wirtschaftlichen Herausforderungen gemahnen. So wurden die Gäste in die Hauptkirche Hamburgs, den Michel, geladen. Auf den harten Holzbänken des protestantisch-nüchternen Gotteshauses nahmen die Gäste auf Sitzkissen Platz und warteten auf die Worte der großen Redner. Doch die Kanzel, die sonst zur Predigt dient, war hinter einer schlichten schwarzen Bühne halb verborgen, und auch die Redner des Tages waren nicht zum Moralisieren gekommen. Es herrschte keine Demut, eher war der Michel Ausdruck von Zuversicht. Schließlich ist die Kirche selbst mehrfach niedergebrannt und neu errichtet worden. Sie steht für Beharrlichkeit, Zuversicht und Wohlstand, hat sie doch Krisen und Katastrophen überstanden. Den Stolz und Wohlstand der Hamburger Kaufleute hat das Symbol der Hansestadt erhalten. Auf der Konferenz herrschte dann auch eher geschäftiges Treiben und ein selbstbewusster Optimismus als ökonomischer Pessimismus.

Denn obwohl Helmut Schmidt und Wolfgang Schäuble die Eurokrise noch lange nicht überwunden sehen, beide insgesamt das Durchwurschteln der verantwortlichen Politiker kritisieren – Schmidt natürlich mehr als Schäuble –, sehen sie auch die Chancen für eine Überwindung der Schuldenkrise. Schmidt provozierte damit, dass er ungewöhnliche, nicht zwingend verfassungsmäßige Lösungen zur Überwindung der Eurokrise einforderte. Schäuble stimmte dem amüsiert zu und das Publikum freute sich über derartigen Nonkonventionismus. Regelrechtes Entertainment war der Auftritt von Rainer Brüderle und Oskar Lafontaine. Sie witzelten, erzählten von gemeinsamen Rotweinabenden und von der Chancenlosigkeit, das jeweilige Gegenüber zu überzeugen. Lafontaine argumentierte für die Zerschlagung von Banken aus liberaler Perspektive, Brüderle hielt dagegen. Wahrhaft neue Erkenntnisse oder Meinungen waren aus den politischen Debatten kaum zu ziehen.

Was sagten die Unternehmensvorstände? Im Interview stand der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG Dieter Zetsche gehörig unter Druck. Die Chefmoderatorin des Nachrichtensenders N24, Tatjana Ohm, ging mit dem großgewachsenen Manager, dessen Markenzeichen der ausgefranste Schnauzbart ist, nicht gerade zimperlich um. Um die derzeitige Schwäche des Konzerns zu illustrieren, erzählte die gebürtige Bosnierin eine Kindheitsanekdote. Immer wenn sie mit ihrer Familie früher in das ehemalige Jugoslawien fuhr, um die Verwandtschaft zu besuchen und sie mit ihrem Mercedes ankamen, sei ihrer Familie Respekt und Achtung sicher gewesen. Heute allerdings, mit Blick auf die eigene Generation, habe sich dieses Bild geändert. Eine Mercedes-E-Klasse beeindrucke nicht mehr so sehr. „Heute will jeder einen BMW X3. Was sagt ihnen das Herr Zetsche?“ Es ging einzig und allein um das Imageproblem der Marke Daimler-Benz. Es ging um Wachstum, um Expansion, nicht um die Beschreibung oder Unterstützung eines gesellschaftlichen Wandels. Nicht einmal die kritischen Journalisten stellten grundsätzliche Fragen.

Und damit trafen sie den richtigen Ton. Denn die Zuschauer machten nicht den Eindruck, als wollten sie derart grundsätzliche Debatte führen. Beim Zeit-Wirtschaftsforum ging es um etwas anderes: Nicht die Krise sollte verhandelt, sondern zukünftige Geschäft ausgelotet werden.

Denn auf der Konferenz kamen nicht nur namhafte Politiker und Vorstände zusammen, auch die Teilnehmerliste las sich wie das „Who is who“ der bundesdeutschen Wirtschaft, speziell: der hanseatischen Wirtschaft. Unternehmer, Geschäftsführer und Manager aus den verschiedensten Branchen hatten sich hier für über 1.500 Euro eingekauft, um einen Tag lang Anregung zu bekommen, sich auszutauschen und kennenzulernen. Lange Pausen zwischen den einzelnen Panels, ein gediegenes Catering und vollmundige Weine schafften zudem eine ideale Atmosphäre, um zukünftige Kooperationen festzuzurren. Die Politik wurde zeitweilig zur Randerscheinung, die Diskussionsrunden auf dem Podium erleichterten zwar den Gesprächseinstieg mit unbekannten Tischnachbarn, standen dann aber nur kurzzeitig im Vordergrund. Auf der Veranstaltung ging es um Visitenkarten und Vernetzung. Als abends Giovanni di Lorenzo in der Hamburger Handelskammer Uli Hoeneß zum feierlichen Abschluss interviewte, ging es nur noch um eine festliche Abendatmosphäre, nicht mehr um Krisen und große Reformen. Für die Wirtschaft jedenfalls war die Zeit-Konferenz ein großer Erfolg.

Christian von Eichborn ist studentische Hilfskraft am Göttinger Institut für Demokratieforschung.