[präsentiert]: Die Ergebnisse der Studie zu Stuttgart 21
„Spießerprotest“, „Aufstand des Bürgertums“, die Stuttgarter Halbhöhen als Keimzellen des Widerstands – so wurde die Protestbewegung gegen das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 in den zurückliegenden Monaten oftmals beschrieben. Doch stimmen diese Zuschreibungen überhaupt?
Die AG Demokratietheorie am Göttinger Institut für Demokratieforschung versuchte mit einer explorativen Onlinebefragung der Demonstranten auf einer Großdemonstration am 23.10.2010 herauszufinden, ob diese Etikettierungen der empirischen Überprüfung standhalten. Was also sind die Motive der Protestteilnehmer, welchen gesellschaftlichen Schichten entstammen sie und was ist das Neue am Protest in Stuttgart?
Antworten auf diese und andere Fragen werden in der nicht-repräsentativen Studie „Neue Dimensionen des Protests?“ beantwortet. Bei einem Blick auf die Sozialstruktur der Teilnehmer unserer Umfrage fällt auf, dass diese ein relativ hohes Alter besitzen. 46% der Befragten sind älter als 45 Jahre, lediglich knapp 9% sind 25 Jahre oder jünger. Darüber hinaus sind die Befragten außerordentlich hoch gebildet: Rund 80% aller Befragten erreichten das Abitur oder höhere Bildungsabschlüsse, gar 42% der Befragten besitzen einen Universitätsabschluss.
Entgegen der häufig medial transportieren Meinung fällt jedoch auf, dass die Protestierenden nicht vornehmlich dem traditionellen, konservativen Bürgertum der schwäbischen Metropole zuzurechnen sind. Vielmehr ergibt unsere Umfrage, dass sich ein außerordentlich protesterfahrenes Bündnis auf den Straßen präsentiert, das sich weit überwiegend der linken Mitte zugehörig fühlt. Allerdings stehen der großen Mehrzahl Protesterfahrener auch rund 16% Protestneulinge gegenüber. Diese weichen allerdings in einigen Punkten, vor allem in der politischen Selbstverortung und Parteipräferenz, deutlich vom Gesamtsample ab. Es formiert sich also ein breites und heterogenes Bündnis gegen Stuttgart 21, was auch dadurch unterstrichen wird, dass ganz verschiedene Motive, sich gegen das Bahnprojekt zu engagieren, bestehen. In Stuttgart wird man also Zeuge eines integrativen und grundsätzlich offenen Protests, der keine exklusive Motivationslage für ein Engagement vorschreibt. Dies und ein grundsätzlich artikulierter Gegensatz zwischen Soll- und Ist-Zustand des repräsentativen Regierungshandelns in Deutschland könnten ausschlaggebende Gründe für die Protestdynamik und die hohe Loyalität der Demonstranten mit dem Protest sein.
Die vollständigen Ergebnisse der Studie „Neue Dimensionen des Protests?“ finden sich hier.