Protest auf Österreichisch

[gastbeitrag]: Yussi Pick über Österreich kurz vor den Wahlen

Eine Woche nach der deutschen Bundestagswahl finden die Wahlen zum Österreichischen Nationalrat statt. Beide Parteien der regierenden Großen Koalition aus sozialdemokratischer SPÖ und konservativer ÖVP würden in den nächsten Jahren gerne mit jemand anderen koalieren und viele neue Protestparteien versuchen, aus korruptionsbedingtem Politikfrust Kapital zu schlagen – doch das Wahlergebnis könnte jenes der Bundestagswahl von 2005 widerspiegeln und keine andere Koalitionsoption zulassen.

Es hätte spannend werden können: Eineinhalb Jahre vor der Wahl lag die Freiheitliche Partei (FPÖ) in greifbarer Nähe zu den beiden Großparteien. So nahe, dass sich ihr Spitzenkandidat H. C. Strache Rücken an Rücken mit dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Werner Faymann plakatieren ließ und so  die Wahl als Duell um Österreich inszenieren konnte.

Seine in den letzten Jahrzehnten erfolgreiche Rhetorik gegen Ausländer, das Establishment und Brüssel fiel auch deshalb auf so fruchtbaren Boden, weil die ÖsterreicherInnen seit gut zwei Jahren mit Korruptionsfällen der 2000er Jahre konfrontiert wurden: Eine Kickback-Zahlung hier, eine illegale Parteienfinanzierung durch Scheingutachten da, eine aus Steuergeldern finanzierte Parteiwerbung dort.

Zwar waren heutige und ehemalige Mitglieder der Freiheitlichen Partei in einige dieser Fälle verstrickt, doch der enge Personelle Austausch zwischen FPÖ und dem 2004 von Jörg Haider gegründeten Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) machen es selbst für eine genaue politische Beobachterin schwierig, zu erkennen, wer wem zugeordnet ist. Weil es den Grünen, die als einzige völlig unschuldig waren, nicht gelang, diesen Frust zu nutzen, blieb dem desillusionierten Protestwähler nur die FPÖ, die in manchen Umfragen sogar auf Platz 2 gehandelt wurde.

Und dann kam Frank.[1]

Der mit 21 Jahren nach Kanada ausgewanderte Multimilliardär betrat offiziell als „Team Stronach“ im August 2012 die politische Bühne. Frank Stronach wirkt, als würde man einen Kandidaten der amerikanischen Tea Party sprachlich schlecht und kulturell gar nicht übersetzen und in ein Fernsehstudio stellen: Er wettert  gegen Schulden, gegen „die Funktionäre“, für die Wirtschaft und Jobs. Offensichtlich ist er zu reich, als dass ihm in letzter Zeit jemand widersprochen hätte.

Frank Stronach im Interview mit dem ORF

Innerhalb weniger Wochen traten genug Abgeordnete – fast alle aus dem darniederliegenden BZÖ kommend – der neuen Partei bei, damit sie offiziellen Klubstatus erlangen konnte, was ihr wiederum Klubförderung und einen Platz am Tisch bei Fernsehdiskussionen einräumte. Aus dem Stand erzielte die neue Formation bei den Landtagswahlen in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg 8 bis 11 Prozent.[2] Und dieses Spektrum trauen Stronach Umfragen auch für die Nationalratswahl zu – wenn er denn aufhört, sich in Fernsehauftritten selbst zu sabotieren. Genau dies sind dabei jene Prozentpunkte, die der FPÖ bzw. Strache fehlen, um weiter ihr Duell mit dem Bundeskanzler zu inszenieren.

Stronach hat mit seinem Antritt auch wenig Luft für die vielen anderen Protestparteien – allen voran  Das Neue Österreich (NEOS) – gelassen. NEOS ist der Versuch einer Gruppe von Wirtschaftstreibenden, in Österreich erneut eine gesellschaftlich und wirtschaftlich liberale Partei zu etablieren. Zwar teilen sich NEOS und Stronach demographisch kaum WählerInnen, aber in einer Welt ohne Stronach wäre dem Neuen Österreich der Status als aussichtsreiche Neupartei sicher gewesen. So muss die Partei um das Erreichen der 4 Prozent zum Einzug ins Parlament zittern.

Wenn also am letzten Sonntag im September gewählt wird, ist es durchaus möglich, dass sich trotz politischer Unzufriedenheit auf allen Seiten einzig die Farbe der Partei auf dem 5. Platz ändert.

Yussi Pick ist Kampagnen- und Politikberater. Er arbeitet als Managing Partner bei Pick & Barth Digital Strategies und ist Autor von „Das Echo-Prinzip. Wie Onlinekommunikation Politik verändert“.


[1] Warum immer Steirer nach Nordamerika auswandern, um dann mit einem schlechten Akzent nach Österreich zurückzukommen, sollte noch Thema unzähliger wissenschaftlicher Arbeiten werden.

[2] Bei der vierten Wahl in Tirol schaffte das Team Stronach aufgrund von internen Streitereien und des von Protestparteien gesättigten Marktes den Einzug in den Landtag nicht.