[nachgefragt]: David Bebnowski über die AfD kurz vor ihrem Bremer Parteitag
Die AfD trifft sich am kommenden Wochenende zum Bundesparteitag in Bremen. In den letzten Wochen tobte in der Partei ein Flügelkampf zwischen einem „wirtschaftsliberalen“ und einem „national-konservativen“ Lager. Worum geht es dabei genau?
Zuerst einmal geht es der AfD um eine parteiliche Ausrichtung für die Zukunft. Entscheidend ist dabei aber nicht, wie wirtschaftsliberal oder nationalistisch und, wenn man es denn so nennen mag, islamophob die Partei wird, sondern vielmehr die Erschließung neuer Wählerschichten, speziell der Schicht, die man als „Arbeiterklasse“ bezeichnen könnte. In diesem Punkt sind andere rechtspopulistische Parteien im Ausland der AfD einen deutlichen Schritt voraus. Sie bedienen diese Wählerschichten bereits – und die zahlen es ihnen mit fester Loyalität zurück. So versucht z.B. Alexander Gauland, auch und vor allem im Kontext von Pegida, immer wieder, die „kleinen Leute“ zu umschmeicheln und sie gegenüber einer kritischen medialen Öffentlichkeit als „falsch verstanden“ und „nicht islamfeindlich“ zu verteidigen.
Darüber hinaus ist die nach außen getragene Spaltung aber auch eine strategische, die von der Partei selber benutzt wird, um sich in beiden Lagern zu verorten. Es ist insofern eher ein Scheingefecht. Tatsächlich teilen beide Lager viele Grundüberzeugungen. Man kann sogar noch weiter gehen: Es ist exakt diese Melange aus national-konservativen und (neo-)liberalen, wirtschaftsliberalen Standpunkten, welche die AfD bisher ausgemacht hat.
Welche Rolle wird dieser Konflikt auf dem Bundesparteitag in Bremen spielen?
Der Parteitag findet jetzt zu einem Zeitpunkt statt, an dem zumindest vorläufig eine Klärung zu diesem Kurs gefunden werden muss. Dass die innerparteilichen Konflikte und Spaltungen dabei kurz vor dem Parteitag noch einmal ans Tageslicht treten, ist eigentlich eine Art Choreographie, die man in der AfD permanent beobachten konnte. Das gilt übrigens für andere Parteien ebenfalls. Jetzt allerdings fällt genau das mit der Abstimmung über die zukünftige Ausrichtung der AfD zusammen. Bernd Lucke möchte dabei aus der AfD im Prinzip die Partei machen, die sie – so wurde es zumindest kommuniziert – eigentlich nie sein wollte, nämlich eine von oben herab und von einer Person gesteuerte. Dem gegenüber stehen Leute wie Frauke Petry u.a., die zumindest pro forma über eine Dreierspitze die Basis viel stärker miteinbeziehen wollen. Die Konflikte über den administrativen Aufbau der AfD, die nun verhandelt werden, sind durch die tragenden Akteure wie eben Lucke und Petry, die die konträren Standpunkte vertreten, stellvertretend für den Richtungsstreit der Partei. Er wird also gewissermaßen – ebenso wie bei den „Altparteien“, wie die AfD sagen würde – anhand eines Personalkonfliktes ausgetragen.
Aber ist dieser Personalkonflikt in den letzten Wochen nicht schon vorab für Lucke entschieden worden?
Ich glaube, dass es keineswegs feststeht, ob Bernd Lucke tatsächlich als Sieger aus diesen Verhandlungen hervorgegangen ist. Einerseits bleibt er natürlich der Vorsitzende der Partei bzw. einer ihrer beiden Sprecher. Gleichzeitig ist Frauke Petry, die genau für den anderen Kurs steht, weiterhin eine ihrer beiden Sprecherinnen. Und nicht zuletzt spielt auch Alexander Gauland, der zwar formal in diesen Verhandlungen um die Parteiführung außen vor steht, faktisch aber sehr einflussreich ist, eine entscheidende Rolle. Insofern ist dieser Grundkonflikt, der in der Partei schwelt, überhaupt nicht ausgestanden und könnte sich noch einige Monate hinziehen.
Welchen Einfluss hat die politische Debatte dieser Tage über Terrorismus, aber auch über den Erfolg der PEGIDA-Demonstrationen auf die AfD?
Zunächst einmal zeigen die Reaktionen auf Charlie Hebdo und auch auf PEGIDA etwas durchaus Erfreuliches, nämlich starke zivilgesellschaftliche Reaktionen gegen religiösen Fundamentalismus und auch gegen rassistische Strömungen, die den rechten Populismus mit grundieren. Auch in Frankreich musste man nur sehr wenig darüber lesen, dass die Rechtspopulisten von der aktuellen Debatte besonders stark profitieren. Insofern scheint auch die AfD aus der spezifischen Situation dieser Zeit heraus gar nicht so viel mehr Zuspruch erhalten.
Gleichzeitig gibt es aber Pegida – und zwar als Ausdruck eines weit tiefer verwurzelten Problems. Die AfD inszeniert sich hier gerade in der Person Alexander Gaulands über die Artikulation eines „Unbehagens“ gewissermaßen als das politische Sprachrohr der vermeintlich kleinen Leute – von denen man im Übrigen keineswegs weiß, ob sie denn überhaupt zu den Demonstranten gehören, denn die Umfragen deuten in eine ganz andere Richtung, da marschiert die „Mitte“, nicht die „Ausgeschlossenen“.
Deshalb ist es mir wirklich sehr wichtig, das Kalkül und den Mechanismus dahinter noch einmal zu betonen. Die AfD versucht nämlich in Person Gaulands und anderer, das fühlbare Missbehagen darüber zu politisieren, dass die „kleinen Leute“ im politischen Diskurs nur sehr wenig zu sagen hättn. Die AfD setzt also nicht nur einfach darauf, die PEGIDA-Anhänger abzufischen, sondern versucht, die Demonstrationen selbst sehr strategisch, da unabhängig von der empirischen Zusammensetzung dieser Protestzüge, als ein Vehikel für die Erschließung neuer Wählerschichten auch abseits von PEGIDA zu nutzen. Das ist, so ärgerlich man das aus guten Gründen finden sollte, gewissermaßen machtpolitisch natürlich alles andere als dumm.
2014 konnte die AfD aus dem Stand in Sachsen, Thüringen und Brandenburg in die Landtage einziehen. Wie erklärt sich dieser überraschende Erfolg gerade in ostdeutschen Bundesländern?
Einerseits ließe sich der Erfolg natürlich rein wahlpolitisch erklären. Im September vergangenen Jahres hat die AfD dein Einzug in den Bundestag ja nur ganz knapp verpasst. Dieses im Nachhinein „erfolgreiche Scheitern“ hat ihr aber einen Rückenwind für die nachfolgenden Europa- und Landtagswahlen gegeben, von dem sie im Grunde noch bis heute profitiert. Hinzu kommt, dass die AfD in Ostdeutschland natürlich größere Potenziale als in Westdeutschland besitzt. In Ostdeutschland sind die Wählerloyalitäten und Parteibindungen generell geringer, weshalb neue Parteien leichter gewählt werden können.
Darüber hinaus und auch damit zusammenhängend allerdings haben viele Leute – umso mehr in Ostdeutschland – nach 25 Jahren neoliberaler Politik in Deutschland, nach 25 Jahren vor allem sozialpolitischer Zumutungen und einer zerstörerischen „Deregulierung“ vertrauter Strukturen das Vertrauen in die Politik und in die Institutionen verloren.
Und vor diesem Hintergrund, hat eine neue Partei, die verspricht, anders zu sein, die nicht die „politische Klasse“, nicht die „Etablierten“, nicht die „Berufspolitiker“ verkörpern möchte, natürlich große Chancen auf Wahlerfolge. Und genau das ist eingetreten. Man darf das, was die Wähler angeht, übrigens nicht dämonisieren und keineswegs als irrational darstellen. Das ist es nämlich nicht. Diese Reaktion der Abwendung ist doch eigentlich sehr nachvollziehbar, im Grunde eine repräsentationslogische Folgerichtigkeit. Betrüblich ist hieran nur eines: Dass die Partei, der das gelingt, eine rechte populistische Partei ist, die Sündenböcke schafft und auf Aus- und Abgrenzung setzt.
David, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Robert Mueller-Stahl.
David Bebnowski ist Sozialwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Institut für Demokratieforschung. Gemeinsam mit Julika Förster hat er die Studie „Wettbewerbspopulismus. Die Alternative für Deutschland und die Rolle der Ökonomen“ veröffentlicht. Bald erscheint sein neues Buch „Die Alternative für Deutschland. Aufstieg und gesellschaftliche Repräsentanz einer rechten populistischen Partei“ im Springer-Verlag.